Mein Jüngster ist ein klassisches Trennungskind, hinzu kommt – er ist ein Projektor mit 3/5er Profil, mit recht vielen definierten Zentren – dies alles zusammen ist schon mal ne Hausnummer für sich.
Von klein an ist er sehr, sehr eigensinnig und macht seine Regeln selbst, nicht nur einmal war ich sprachlos ob seiner klaren Ansagen, wie etwas aus seiner Sicht zu laufen hatte.
Unter Druck oder mit Locken ging grundsätzlich gar nix – manchmal fand und findet er sich in verzwickten Situationen wieder und der Knoten wollte einfach nicht platzen.
Er brauchte beispielsweise 2 ganze Jahre bis er sich überwinden konnte einmal Wassermelone zu probieren.
Als er 5 Jahre alt war, fuhr ich ihn zu seinem Papa, sie wollten in den Urlaub – ich sagte: und übe schön das Schwimmen…
Augenblicklich fiel er mir ins Wort und entgegnete – Mama, ich lerne in dem Sommer schwimmen bevor ich zur Schule komme und nicht früher, ich entscheide das und nicht du!
Wer mich kennt, weiß, dass ich selten sprachlos bin – da war ich es. Allerdings ließ ich ihn machen und entschied mich dem Lauf der Dinge zu vertrauen. 2 Jahre danach, im Sommer vor der Schuleinführung trat er an mich mit den Worten – so, Mama, nun ist es soweit, ich werde jetzt schwimmen lernen, heran.
Ich geriet etwas in Not, weil so kurzfristig kein Lehrer zur Verfügung stand um ihm dies beizubringen, also dachte ich, ich machs selbst.
Wir sprachen mit der Rettungsschwimmerin in unserem Dorffreibad, diese schlug die Hände überm Kopf zusammen und sagte, dass das so nicht klappen könne, sie hatte noch nie erlebt, dass Eltern ihren Kindern das Schwimmen beibringen könnten.
Wir bewiesen ihr innerhalb von 4 Tagen mit jeweils einer Stunde üben, dass sowas doch geht und zwar schwamm der Jüngste so, als ob er das schon immer konnte – sie war sprachlos und ich selbst auch, nur das Kind war vollkommen klar – er entgegnete, Mama, ich hatte es dir doch damals schon gesagt… Vertrauen ist das Schlüsselwort.
Und so zogen sich immer wieder kleinere und größere solcher Erfahrungen durch unser Leben.
Und letzte Woche platzte ein richtig großer Knoten.
Als Trennungskind mochte der Jüngste nicht gern außerhalb seiner Komfortzone übernachten, nicht bei Freunden, Cousins, Klassenfahrten und Trainingslagern – jedes Mal drehte er fast durch und bekam Migräne oder weinte sich die Seele aus dem Leib.
Da ich als Kind ähnlich war, hatte ich großes Verständnis und unterstützte wo ich nur konnte. Innerlich wusste ich, der Tag wird kommen an dem er in einer fremden Umgebung ruhig schlafen kann.
Der Tag kam letzte Woche als er ins Krankenhaus musste – zuerst textete er mich zu, dass er dort weg müsse, ich solle ihn holen kommen… In mir stieg eine leichte Panik auf, welche ich da sein ließ.
Am Abend fuhr ich erneut ins Krankenhaus um ihn zu besuchen und zu beruhigen – ich fand ein vollkommen anderes Kind vor.
Er war fast fröhlich und bat mich sogar recht schnell, dass ich wieder Heim fahren soll.
Was war passiert??
Ehrlich??? Ich weiß es nicht!
Er hat einfach eine Entscheidung getroffen – er hat die Entscheidung getroffen, dass er eben nicht mehr das Opfer der Situation ist UND dass er das Beste aus der Situation macht!
Als ich ihn fragte was das Learning der Woche war, kam als Antwort:
„Dass er nun sicher weiß, dass ihm wo anders nichts passieren und er da auch schlafen kann UND, dass er gelernt hat, dass man aus einer ausweglosen Situation das Beste machen kann, wenn man sich selbst dazu entscheidet.
Der Jüngste ist knapp 13 – und ich bin so mega stolz auf ihn, dass ich es kaum in Worte fassen kann.
Und was war mein Learning dieser Erfahrung?
Dass ich dadurch, dass ich vorher immer gut den Druck rausnehmen konnte und sein Sein annahm konnten wir unser Vertrauen vertiefen. Gerade in der Pubertät gestaltet sich das Zusammensein doch das eine oder andere Mal etwas verzwickt.
Ich habe einmal mehr gelernt, dass man den Dingen seinen Lauf lassen kann, weil sich mit der Zeit alles fügt.
Wir müssen keinen Druck machen und unserem Umfeld unseren Willen oder unsere Ansichten aufzwängen – wenn wir im Vertrauen sind und bleiben wird sich alles zum Besten entwickeln.
Ja manchmal fordert es uns heraus, und ja, manchmal sind wir gestresst – wenn wir mit Langmut und Geduld herangehen, werden wir belohnt.
Ich wünsche uns allen, dass wir mehr und mehr das Sein der Anderen annehmen können und ihnen mit unserem Urvertrauen begegnen.
Von Herzen
Katharina
Geschrieben April 2024